Was ist der Auslöser für die Kritik an Diesel-Fahrzeugen? Es begann, als öffentlich bekannt wurde, dass einige Fahrzeughersteller bei dem Zulassungsprozess für neue Fahrzeuge den Prüfzyklus manipuliert haben, um ihre Dieselmotoren besser darzustellen, als sie in der Realität sind. Dieser Prüfzyklus wurde nun europaweit aktualisiert, sodass er nicht nur schwerer zu manipulieren ist, sondern auch die Fahrzeuge realitätsnäher bewerten soll. Gleichzeitig sind die Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft in deutschen Großstädten zur Zeit nicht einzuhalten. Die öffentlich gewordenen Abgas-Skandale scheinen daher gerade recht zu kommen, um einen Sündenbock verantwortlich machen zu können. Das Ergebnis ist nun, dass regelmäßig Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vorgeschlagen werden. In den meisten Berichterstattungen fehlt zumeist eine neutrale und sachliche Darstellung der Grundlagen. Aber was sind überhaupt die Fakten hinter all dem?

Stickoxide, CO2 und Feinstaub

Bei der Verbrennung von Kraftstoffen wie Diesel oder Benzin entstehen Gasgemische, die wir als Abgase bezeichnen. Verschiedene Brennstoffe produzieren auch unterschiedliche Gasgemische. Für die meisten Abgase hat die EU Grenzwerte definiert, die dafür sorgen sollen, dass die Luftqualität stetig besser wird. Die primären Abgase in einem PKW-Verbrennungsmotor sind Kohlenstoffdioxid (CO2) und Stickoxide (NOx). Letztere setzen sich aus Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid zusammen. Obwohl ein Dieselmotor bei gleicher Leistung weniger CO2 ausstößt als ein Benzinmotor, ist der Ausstoß von Stickoxiden höher.

CO2 bezeichnet man auch als Treibhausgas, weil eine erhöhte Konzentration in der Atmosphäre zur aktuellen globalen Erhöhung der Durchschnittstemperatur beiträgt. Große Mengen an Stickoxiden sind hingegen verantwortlich für gesundheitliche Probleme bei Lebewesen. Sie können beim Menschen Atemprobleme und Husten auslösen. Beide Grenzwerte werden aktuell nicht eingehalten und gerade in dicht befahrenen Innenstädten werden sie regelmäßig überschritten. Aktuell in der Kritik stehen die vom Diesel vermehrt ausgestoßenen Stickoxide, dabei rücken die anderen Grenzwerte immer weiter in den Hintergrund.

Unter Feinstaub versteht man mikroskopisch kleine Partikel in der Luft. Diese Partikel entstehen im Straßenverkehr vor allem durch Reifen- und Bremsenabrieb oder auf Baustellen. Andere Verursacher sind Fabriken, aber auch Vulkane, Kamine oder Zigaretten sondern die kleinen Teilchen in die Luft ab. Problematisch wird Feinstaub dann, wenn er über unsere Lungen aufgenommen wird, ins Blut gelangt und damit Entzündungen im Körper auslösen kann. Zwar entsteht auch bei Verbrennungsmotoren, besonders beim Diesel, Feinstaub, aber durch Partikelfilter hat man den Ausstoß schon seit einigen Jahrzehnten auf ein Minimum reduziert. Nicht zu verachten ist allerdings: Je schwerer ein Fahrzeug ist, desto mehr Feinstaub entsteht durch den Abrieb von Reifen und Bremsen. Das führt dazu, dass gerade auch Elektroautos, die durch ihre Batterien erheblich schwerer sind, zum Gesamtausstoß beitragen.

Diesel-Fahrverbote

Grundlage für die aktuellen Diskussionen um Diesel-Fahrverbote sind die Werte der Stickoxide in der Luft, deren Grenzen nicht eingehalten werden. In der Abbildung kann man sehen, dass 38% des verursachten NOx aus dem Straßenverkehr kommt.[1] Von diesem Anteil wiederum machen die Stickoxide von Diesel PKW noch 40% aus, also weniger als die Hälfte. Wie viel tragen dann - im Gesamten betrachtet - Diesel-Autos zu den Stickoxid-Werten bei? Die Rechnung 38% x 40% ergibt: 15,2%.

NOx Verursacher Schaubild

Der WDR veranschaulicht in einem kürzlich veröffentlichten Artikel drei Szenarien, die den möglichen Erfolg von Fahrverboten bemessen sollen.[2] In einem Beispiel werden bis 2020 Fahrverbote für alle Diesel Fahrzeuge inklusive Lieferwagen bis 3,5t simuliert. Die fiktiven Fahrverbote würden sich also auf die Fahrzeuggruppe beschränken, die 15% des gesamten NOx-Ausstoßes verursachen. Berücksichtigt werden dabei jedoch Ausnahmegenehmigungen für etwa Krankenwagen oder Transportern von Handwerksbetrieben, weil ein totales Fahrverbot als unrealistisch eingeschätzt wird. Selbst in diesem drastischen Szenario könnten die aktuellen Grenzwerte nicht eingehalten werden. Es liegt von daher Nahe, das Augenmerk auch auf die restlichen 85% zu richten, was aktuell jedoch weniger behandelt zu werden scheint. Was in der Simulation nicht berücksichtigt wird: Wenn alle Diesel-Fahrer auf Benziner umsteigen würden, würde zwar der Ausstoß an Stickoxiden sinken, der CO2 Ausstoß stiege aber. Und während damit vielleicht ein Problem gelöst wird, entsteht gleichzeitig ein neues.

Die "blaue Plakette"

NOx Verursacher Schaubild

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Februar auf Drängen der Deutschen Umwelthilfe entschieden, dass Fahrverbote grundsätzlich legal sind, überlässt die Entscheidung zur Einführung jedoch den einzelnen Kommunen.[3] Grundlage dieser Entscheidung sind Prognosen, dass sich die Luftqualität in deutschen Innenstädten verbessern würde, ohne Angabe von etwaigen Grenzwerten oder Ähnlichem. Dennoch gibt das Gericht auch zu bedenken, dass es eine Verhältnismäßigkeit zu bewahren gilt. Totale Fahrverbote, wie im WDR Beispiel erläutert, sind wirtschaftlich nicht sinnvoll. Handwerksbetriebe und bestimmte Bewohnergruppen sollen die Möglichkeit haben, Ausnahmegenehmigungen zu erlangen. Dies stellt Kommunen jedoch vor eine enorme Herausforderung. Aktuell ist es nämlich nicht möglich Fahrzeugen von außen anzusehen, ob sie den Normen Euro 5 oder Euro 6 entsprechen. Abhilfe würde da eine “blaue Plakette” schaffen. Eine Diskussion zur möglichen Einführung wurde jedoch bis 2020 verschoben und würde auch nur dann in Betracht gezogen werden, wenn bis dahin bestimmte Kriterien erfüllt werden. Auffällig ist in den aktuellen Diskussionen, dass Benziner scheinbar von aktuellen neuen Plaketten bisher nicht betroffen wären und auch die - nicht irrelevanten - Grenzwerte für Feinstaub und CO2 sind aktuell wieder in den Hintergrund gerückt.

Neue Abgasnormen Euro 6c und Euro 6d

Die EU hat auf die Manipulationsversuche bei den Testverfahren zur Feststellung der Schadstoffausstöße bei Fahrzeugen reagiert und zwei neue Verfahren eingeführt. Diese neuen Tests werden dann durch die Abgasnormen 6c und 6d gekennzeichnet. Warum ist das überhaupt für uns relevant? Es ist in der Diskussion, dass Fahrzeuge, die diesen neuen Normen NICHT entsprechen, von den Fahrverboten betroffen sein könnten.

Was ist der Unterschied zwischen den Testverfahren für die Abgasnormen? Beim Testverfahren für Euro 6c werden die Fahrzeuge weiterhin - wie es bei den Skandalen schon war - auf einem Prüfstand gemessen, allerdings nach einem neuen Prüfzyklus (WLTP = Worldwide Harmonized Light Duty Vehicles Test Procedure). Die Grenzwerte, die es hier einzuhalten gilt, bleiben unverändert zu 6b. Deshalb werden die neuen Normen auch nicht Euro 7 benannt. Beim Testverfahren für Euro 6d wird das Fahrzeug real auf der Straße gefahren. Dieser neue Prüfzyklus heißt RDE Zyklus (Real Driving Emissions). Bei diesem realen Prüfverfahren sind die einzuhaltenden Grenzwerte derzeit 2,1 mal so hoch wie im Prüfstandsverfahren für Euro 6c - auf der Straße gibt es eben alle realen Umstände, die den Verbrauch von Kraftstoff beeinflussen und somit auch die Ausstöße von Abgasen. Das Problem: Ab 01.01.2020 dürfen die realen Grenzwerte nur noch 1,5 mal so hoch sein wie im Prüfstandsverfahren für Euro 6c. Und weil das noch nicht kompliziert genug ist, unterscheidet man in der Übergangsphase bis 01.01.2020 bei der Euro 6d Norm noch mal zwischen der Euro 6d Temp Norm (diese gilt für Neuzulassungen vom 01.09.2018 bis 31.12.2019) und der Euro 6d Norm (diese gilt dann ab 01.01.2020).

Ab 01.09.2018 müssen dann alle neu zugelassenen Pkw beide neuen Normen (6c und 6d-Temp) erfüllen, um eine Zulassung zu erhalten.

Quellen

[1] https://www.umweltbundesamt.de/daten/luft/luftschadstoff-emissionen-in-deutschland/stickstoffoxid-emissionen

[2] https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/quarks-und-co/video-abgasalarm---warum-ein-dieselfahrverbot-keine-loesung-ist-100.html

[3] http://www.bverwg.de/pm/2018/9